Zusammenfassung des Urteils EL 2007/16: Versicherungsgericht
Die Beschwerdeführerin S. hat Einspruch gegen die Ablehnung einer Ergänzungsleistung zur AHV erhoben, da sie auf familienrechtliche Unterhaltsbeiträge verzichtet hatte. Die EL-Durchführungsstelle wies das Leistungsgesuch ab, da sie fiktive Unterhaltsbeiträge berücksichtigte. Die Beschwerdeführerin argumentierte, dass sie keinen Anspruch auf Unterhalt hatte und daher kein Verzicht vorlag. Die Einzelrichterin bestätigte, dass die Versicherte keinen Anspruch gehabt hätte. Das Gericht entschied zugunsten der Beschwerdeführerin und wies die Sache zur erneuten Berechnung der Ergänzungsleistung zurück.
Kanton: | SG |
Fallnummer: | EL 2007/16 |
Instanz: | Versicherungsgericht |
Abteilung: | EL - Ergänzungsleistungen |
Datum: | 12.03.2008 |
Rechtskraft: |
Leitsatz/Stichwort: | Entscheid Art. 3c Abs. 1 lit. g i.V.m. Art. 3c Abs. 1 lit. h. Verzicht auf familienrechtliche Unterhaltsleistungen durch Einwilligung in eine Scheidungskonvention, die keine Unterhaltspflicht vorsieht, verneint, da eine Klage auf Unterhaltsleistungen keine Aussicht auf Erfolg gehabt hätte (Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 12. März 2008, EL 2007/16). |
Schlagwörter: | Unterhalt; Scheidung; Einsprache; Unterhaltsleistung; Anspruch; Unterhaltsleistungen; Verzicht; Recht; Streits; Parteien; Streitscheidung; Parteientschädigung; Ergänzungsleistung; EL-Durchführungsstelle; Einzelrichterin; Einnahmen; Ehemann; Unterhaltsbeiträge; Bezirksgericht; Einspracheentscheid; Einspracheverfahren; Gehör; Scheidungskonvention; Bezirksgerichts; Begehren; Anspruchs; Altersrente; Ehegatte |
Rechtsnorm: | Art. 125 ZGB ;Art. 140 ZGB ;Art. 52 ATSG ; |
Referenz BGE: | 132 V 368; |
Kommentar: | - |
Entscheid vom 12. März 2008
in Sachen S. ,
Beschwerdeführerin,
vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur. Walter Hofstetter, Hanfländerstrasse 67, Postfach 1539, 8640 Rapperswil,
gegen
Sozialversicherungsanstalt des Kantons St. Gallen, Postfach 368, 9016 St. Gallen,
Beschwerdegegnerin, betreffend
Ergänzungsleistung zur AHV
Sachverhalt: A.
S. wurde am 3. April 2006 zum Bezug einer Ergänzungsleistung zur Altersrente angemeldet. Im Gesuchsformular wurde angegeben, die Versicherte erhalte keine familienrechtlichen Unterhaltsleistungen. Die einzigen Einnahmen seien die Altersrente von Fr. 22'908.- und der Zinsertrag von Fr. 104.- aus dem Sparvermögen von Fr. 22'844.-. Der Mietzins belaufe sich auf Fr. 1450.-. Gemäss dem beigelegten Scheidungsurteil vom 27. Februar 2006 hatte die Versicherte im Rahmen einer - gerichtlich genehmigten - Scheidungskonvention auf weitere Unterhaltszahlungen verzichtet. Die EL-Durchführungsstelle forderte die Versicherte am 4. Mai 2006 auf, eine aktuelle Mietzinsbestätigung, ein vom geschiedenen Ehemann vollständig ausgefülltes Formular betreffend die Überprüfung der wirtschaftlichen Verhältnisse und ein Berechnungsblatt des Gerichts mit einer Begründung dafür, dass keine familienrechtlichen Unterhaltsbeiträge mehr ausgerichtet werden müssten, einzureichen. Der geschiedene Ehemann der Versicherten weigerte sich am 16. Mai 2006, dieses Formular auszufüllen, da das Scheidungsurteil vom 27. Februar 2006 massgebend sei. Die EL-Durchführungsstelle erkundigte sich am 2. Juni 2006 bei der zuständigen Einzelrichterin des Bezirksgerichts A. nach dem Grund für den Verzicht der Versicherten auf Unterhaltsbeiträge. Sie wollte von der Einzelrichterin ausserdem wissen, wieviel Unterhalt der geschiedene Ehemann der Versicherten zahlen könnte. Das Bezirksgericht A. übermittelte der EL-Durchführungsstelle am 14. Juni 2006 das Scheidungsurteil und das vorausgegangene Trennungsurteil vom 7. April 1997. In diesem Urteil war eine Trennungskonvention genehmigt worden, in der sich der Ehemann verpflichtet hatte, der Versicherten monatliche Unterhaltsleistungen von Fr. 1000.- auszurichten. Diese Leistungen waren indexiert gewesen. Das Nettoeinkommen des Ehemannes hatte damals Fr. 5000.- betragen, wobei 90% auf die Altersrente und auf die Rente der Pensionskasse entfallen waren. Die EL-Durchführungsstelle nahm eine Anspruchsberechnung vor, bei der sie auf der Ausgabenseite den Pauschalbetrag für die Krankenkassenprämien von Fr. 3000.-, den maximal abzugsfähigen Mietzins von Fr. 13'200.- und die Lebensbedarfspauschale von Fr. 17'640.- und auf den
Einnahmenseite die Altersrente von Fr. 22'908.-, den Zinsertrag von Fr. 104.- und fiktive familienrechtliche Unterhaltsbeiträge von Fr. 12'000.- berücksichtigte. Da aus dieser Anspruchsberechnung ein Einnahmenüberschuss resultierte, wies die EL- Durchführungsstelle das Leistungsgesuch der Versicherten mit einer Verfügung vom 5. Juli 2006 ab.
B.
Die Versicherte liess am 4. August 2006 Einsprache gegen diese Verfügung erheben. Sie beantragte die Neuberechnung der Ergänzungsleistung ohne die fiktiven familienrechtlichen Unterhaltsbeiträge von Fr. 12'000.-. Zur Begründung führte sie aus, sie habe sich bereits im Jahr 1992 faktisch von ihrem Ehegatten getrennt. Im Jahr 1997 sei die Ehe auf unbestimmte Zeit getrennt worden, wobei sich ihr Ehegatte verpflichtet habe, einen monatlichen Unterhaltsbeitrag von Fr. 1000.- zu leisten. Im vergangenen Jahr habe ihr Ehegatte auf eine Scheidung gedrängt. Da ein Scheidungsverfahren aufwendig gewesen wäre, habe sie Hand geboten zu einer Auflösung der Ehe auf gemeinsames Begehren. Sie habe dann in einer Scheidungskonvention auf nachehelichen Unterhalt verzichtet, aber erst nachdem sie die diesbezügliche Rechtslage abgeklärt habe. Die Voraussetzungen für einen nachehelichen Unterhalt gemäss 125 ZGB seien nicht erfüllt gewesen, da die tatsächlich gelebte Ehe nur etwas mehr als vier Jahre gedauert habe. Ausserdem habe sie durch die Scheidung keine ehebedingten Nachteile erlitten, weil sie bei der Heirat bereits pensioniert gewesen sei. Deshalb habe ihr nach der Auflösung der Ehe keine Unterstützung zugestanden. Aus diesem Grund habe die Scheidungsrichterin die Konvention genehmigt. Demnach liege kein Verzicht auf familienrechtliche Unterhaltsbeiträge vor.
C.
Die EL-Durchführungsstelle ersuchte die zuständige Einzelrichterin des Bezirksgerichts A. am 18. Dezember 2006, zur Frage Stellung zu nehmen, ob bei einer Streitscheidung ein Anspruch auf nachehelichen Unterhalt bejaht worden wäre. Die Einzelrichterin gab gemäss einer Telephonnotiz am 18. Dezember 2006 an, die Versicherte hätte bei einer Streitscheidung höchstwahrscheinlich keinen Anspruch auf nachehelichen Unterhalt gehabt. In einem an die EL-Durchführungsstelle gerichteten
Schreiben vom 15. Januar 2007 führte die Einzelrichterin des Bezirksgerichts A. aus, in Anbetracht dessen, dass die Scheidungskonvention gerichtlich genehmigt worden sei, könne davon ausgegangen werden, dass der "Verzicht" der Versicherten auf nachehelichen Unterhalt einer gerichtlichen Überprüfung gemäss Art. 140 Abs. 2 ZGB standgehalten habe.
D.
Ohne der Versicherten von dieser nachträglichen Sachverhaltserhebung Kenntnis gegeben zu haben, wies die EL-Durchführungsstelle die Einsprache am 31. Januar 2007 ab. Sie machte geltend, wenn es im Scheidungszeitpunkt ziemlich sicher sei, dass sich einer der Ehegatten im Anschluss werde für eine Ergänzungsleistung anmelden müssen, so sei die nacheheliche Unterhaltspflicht mindestens zu prüfen. Im vorliegenden Fall habe keine Rechtspflicht bestanden, auf Unterhaltsleistungen zu verzichten. In ihrer Situation hätte die Versicherte nachehelichen Unterhalt beanspruchen können und wahrscheinlich auch beanspruchen müssen. Zwar wäre das Gericht vielleicht tatsächlich zum Ergebnis gekommen, dass kein Unterhaltsanspruch bestehe, aber dann wären bei der EL-Anspruchsberechnung keine fiktiven familienrechtlichen Unterhaltsbeiträge anzurechnen gewesen. Es sei davon auszugehen, dass es dem geschiedenen Ehemann weiterhin zumutbar gewesen wäre, monatliche Unterhaltsleistungen von Fr. 1000.- zu erbringen.
E.
Die Versicherte liess am 5. März 2007 Beschwerde gegen diesen Einspracheentscheid erheben. Sie stellte den Antrag, den Einspracheentscheid aufzuheben und die Sache zur Berechnung der Ergänzungsleistung mit Wirkung ab 1. März 2006 unter Weglassung der Position 'familienrechtliche Unterhaltsbeiträge' an die EL- Durchführungsstelle zurückzuweisen. Zur Begründung führte sie sinngemäss an, die nach Art. 125 ZGB geforderten Voraussetzungen eines Unterhaltsanspruchs seien nicht erfüllt gewesen. Insbesondere seien ihr durch die Scheidung keine ehebedingten Nachteile entstanden. Hinzu komme, dass sie sich einer Scheidung nicht mehr habe widersetzen können. Die zuständige Einzelrichterin des Bezirksgerichts A. habe zum Ausdruck gebracht, dass es sich nicht um ein freiwilliges Absehen von nachehelichem
Unterhalt gehandelt habe. Die Konvention wäre nicht genehmigt worden, wenn sie offensichtlich unangemessen gewesen wäre. Sollte das Gericht Zweifel hegen, sei eine Vernehmlassung der Einzelrichterin des Bezirksgerichts A. zur Frage einzuholen, weshalb höchstwahrscheinlich keine Frauenalimente zugesprochen worden wären. Es sei unzumutbar gewesen, einen aussichtslosen Scheidungsprozess zu führen. Die Tatsache, dass während der Trennung Fr. 1000.- monatlich bezahlt worden seien, sei irrelevant, denn bei der Scheidung zählten bekanntlich andere Kriterien. Demnach liege kein Verzicht i.S. von Art. 3c Abs. 1 lit. g ELG vor. Abschliessend wies die Versicherte darauf hin, dass ihr bei Obsiegen auch für das Einspracheverfahren eine Parteientschädigung zustehe.
F.
Die EL-Durchführungsstelle beantragte am 12. März 2007 die Abweisung der Beschwerde.
Erwägungen:
1.
Gemäss Art. 42 Satz 1 ATSG haben die Parteien des sozialversicherungsrechtlichen Verwaltungsverfahrens einen Anspruch auf rechtliches Gehör. Das rechtliche Gehör umfasst u.a. das Recht, Einsicht in die Akten zu nehmen und sich zum Beweisergebnis zu äussern (vgl. etwa BGE 132 V 368 ff. m.H.). Die Beschwerdegegnerin hat nach der Einspracheerhebung eine Auskunft der für das Scheidungsverfahren zuständigen Einzelrichterin des Bezirksgerichts A. eingeholt. Anschliessend hat sie u.a. gestützt auf die so produzierten neuen Akten über die Einsprache entschieden, ohne der Beschwerdeführerin vorgängig die Gelegenheit gegeben zu haben, in diese neuen Akten Einsicht zu nehmen und sich dazu zu äussern. Damit hat die Beschwerdegegnerin der Beschwerdeführerin das rechtliche Gehör verweigert. Da es sich um einen reinen Anspruch handelt, steht es im freien Ermessen der betroffenen Partei des Verwaltungsverfahrens, ob sie eine Aufhebung des allein schon aus formellen Gründen rechtswidrigen Einspracheentscheides und eine Rückweisung zur neuen Entscheidung nach vorausgegangener Gehörsgewährung aber eine
ausschliesslich materiellrechtliche Beurteilung des angefochtenen Einspracheentscheides (sogenannte Heilung der Gehörsverletzung) beantragen will (vgl. das Urteil des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 8. Januar 2008, IV 2007/214). Die Beschwerdeführerin hat die Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör im Einspracheverfahren in ihrer Beschwerde nicht gerügt. Da sie anwaltlich vertreten ist, kann dies nur so interpretiert werden, dass sie mit einer "Heilung" der Gehörsverletzung im Beschwerdeverfahren, d.h. mit einer rein materiellrechtlichen Beurteilung des angefochtenen Einspracheentscheides einverstanden ist. Die formelle Rechtswidrigkeit des angefochtenen Einspracheentscheides tritt somit hinter die von der Beschwerdeführerin bevorzugte beförderliche Verfahrenserledigung zurück.
2.
Familienrechtliche Unterhaltsleistungen, auf die verzichtet worden ist, sind als Einkünfte anzurechnen (Art. 3c Abs. 1 lit. g und h ELG). Das objektive Verzichtsverhalten besteht darin, dass eine versicherte Person es unterlässt, "eine ihr zur Verfügung stehende Einnahmenquelle auszuschöpfen" (Schweizerisches Bundesverwaltungsrecht, Bd. XIV Soziale Sicherheit, 2.A., Ralph Jöhl, Ergänzungsleistungen zur AHV/IV, Rz 271 S. 1833). In subjektiver Hinsicht muss eine versicherte Person "alles unterlassen, was die […] Chance der Erschliessung einer neuen […] Einnahmenquelle gefährden könnte. Das Verhalten der versicherten Person darf also die Fähigkeit, den Existenzbedarf aus eigener Kraft zu bestreiten, nicht gefährden" (Ralph Jöhl a.a.O., Rz 273 S. 1835). Die Verzichtshandlung besteht im vorliegenden Fall nach der Auffassung der Beschwerdegegnerin darin, dass die Beschwerdeführerin einer Scheidungskonvention zugestimmt hat, die keine Unterhaltsleistungen des Ehemannes mehr vorsieht. Die Beschwerdegegnerin geht also davon aus, dass die Beschwerdeführerin in einer Streitscheidung auf der Zusprache einer Unterhaltsleistung hätte beharren müssen. Sie räumt aber ein, dass die Beschwerdeführerin durch ihre Zustimmung zur Scheidungskonvention nicht auf ihr zustehende Unterhaltsleistungen, sondern nur auf die Chance verzichtet hat, Unterhaltsleistungen gerichtlich zugesprochen zu erhalten. Aber auch der Verzicht auf eine derartige Chance kann EL-rechtlich ein Verzicht auf anrechenbare Einkünfte sein, denn eine von Armut bedrohte, d.h. potentiell auf eine Ergänzungsleistung
angewiesene Person muss alles ihr Mögliche und Zumutbare unternehmen, um ihren Existenzbedarf ohne eine Ergänzungsleistung bestreiten zu können.
Die Beschwerdeführerin hätte im Rahmen einer Streitscheidung die unentgeltliche Rechtspflege beanspruchen können, so dass ihr keine nur unbedeutende Kosten entstanden wären. Dass es ihr aufgrund ihres Gesundheitszustandes nicht zumutbar gewesen wäre, die mit einer Streitscheidung verbundenen Unannehmlichkeiten in Kauf zu nehmen, lässt sich den Akten nicht entnehmen und ist auch nicht behauptet worden. Angesichts ihrer deutlich unter dem Existenzminimum liegenden Einkünfte hätte sie grundsätzlich nicht auf die Geltendmachung eines Anspruchs auf Unterhaltsleistungen in einer Streitscheidung verzichten dürfen. Objektiv betrachtet liegt also ein Verzichtsverhalten vor. In subjektiver Hinsicht hingegen erfüllt das Verhalten der Beschwerdeführerin den Tatbestand des Art. 3c Abs. 1 lit. g ELG nicht. Die Aussicht, in einer Streitscheidung mit dem Begehren um eine Unterhaltsleistung durchzudringen, war nämlich sehr viel geringer als die Aussicht, mit diesem Begehren zu unterliegen. Gemäss Art. 125 Abs. 2 ZGB ist beim Entscheid darüber, ob ein Anspruch auf eine Unterhaltsleistung besteht, u.a. die Aufgabenteilung während der Ehe zu berücksichtigen. Auszugleichen sind die Nachteile für das berufliche Fortkommen, die durch die konkrete Aufgabenteilung entstanden sind (vgl. Ingeborg Schwenzer [Hrsg.], Praxiskommentar Scheidungsrecht, N. 41 zu Art. 125 ZGB). Bei einer Altersehe zwischen Personen, die am Ende des Erwerbslebens stehen die bereits pensioniert sind, kann in der Regel kein ehebedingtes Einkommensgefälle vorliegen. Deshalb kann sich ein allfälliger Unterhaltsanspruch nur aus einer nachehelichen Solidarität nach einer langen Ehe ableiten lassen (vgl. Ingeborg Schwenzer [Hrsg.], a.a.O., N. 45 zu Art. 125 ZGB). Von einer langen Ehe kann nur dann gesprochen werden, wenn die Lebensverhältnisse der Ehegatten durch die Ehe nachhaltig geprägt worden sind. Eine faktische und/oder gerichtliche Trennung lässt eine solche Prägung nicht zu (vgl. Ingeborg Schwenzer [Hrsg.], a.a.O., N. 48 f. zu Art. 125 ZGB). Da im vorliegenden Fall weder ein ehebedingtes Einkommensgefälle noch eine lange Ehedauer anzunehmen ist, weil die Beschwerdeführerin auch ohne die Ehe aktuell nur über die Altersrente und ein geringes Vermögen verfügen würde und weil die gelebte Ehe nur wenige Jahre gedauert hat, sind die Aussichten auf die Zusprache einer Unterhaltsleistung in einer Streitscheidung als minimal zu betrachten. Diese Einschätzung liegt auch der gerichtlichen Genehmigung der Scheidungskonvention
zugrunde. Die Beschwerdeführerin hat zwar durch ihren Verzicht auf die gerichtliche Beurteilung eines Unterhaltsbegehrens im Rahmen einer Streitscheidung eine strikte Beweisführung in der Verzichtsfrage verhindert. Aber trotzdem kann mit ausreichender Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass das Gericht einen Unterhaltsanspruch verneint hätte. Es ist besteht deshalb kein beweisloser Zustand, dessen Nachteil die Beschwerdeführerin zu tragen hätte, indem von einem Einkommensverzicht auszugehen wäre. Vielmehr steht fest, dass der Beschwerdeführerin keine relevante Verletzung der Pflicht, den eigenen Lebensbedarf möglichst selbständig zu finanzieren, vorgeworfen werden kann. Da demnach der subjektive Tatbestand des Einkommensverzichts nicht erfüllt ist, dürfen keine fiktiven Unterhaltsleistungen angerechnet werden.
3.
Im Einspracheverfahren wird in der Regel keine Parteientschädigung zugesprochen (Art. 52 Abs. 3 Satz 2 ATSG). Die Formulierung wurde so gewählt, um die Gewährung der unentgeltlichen Rechtsverbeiständung zu ermöglichen (vgl. Ueli Kieser, ATSG- Kommentar N. 28 zu Art. 52 ATSG). Die Beschwerdeführerin hat im Einspracheverfahren kein Begehren um eine unentgeltliche Rechtsverbeiständung gestellt. Im Beschwerdeverfahren kann also nur ein möglicher Anspruch auf eine reguläre Parteientschädigung für das Einspracheverfahren zur Diskussion stehen. Selbst wenn es zulässig wäre, unter besonderen Umständen ausserhalb der unentgeltlichen Rechtsverbeiständung eine Parteientschädigung zuzusprechen (vgl. Ueli Kieser, a.a.O., N. 28 zu Art. 52 ATSG), was angesichts der höchstrichterlichen Rechtsprechung kaum zutreffen dürfte, bestehen doch vorliegend keine derartigen Umständen. Das entsprechende Beschwerdebegehren ist deshalb abzuweisen.
4.
Im Sinne der vorstehenden Ausführungen ist die Sache in teilweiser Gutheissung der Beschwerde zur Anspruchsermittlung ohne Berücksichtigung fiktiver familienrechtlicher Unterhaltsleistungen an die Beschwerdegegnerin zurückzuweisen. Die Beschwerdegegnerin wird allenfalls weitere Abklärungen insbesondere in bezug auf die Einnahmensituation der Beschwerdeführerin vorzunehmen haben, denn die bekannten
Einnahmen reichen offensichtlich nicht aus, um neben dem hohen Mietzins auch den übrigen Lebensunterhalt zu decken. Die obsiegende Beschwerdeführerin hat einen Anspruch auf eine Parteientschädigung. Diese bemisst sich nach der Bedeutung der Streitsache und nach der Schwierigkeit des Prozesses (Art. 61 lit. g ATSG). Unter Berücksichtigung insbesondere der Beschränkung des Streits auf eine bestimmte Rechtsfrage, der Tatsache, dass nur ein einfacher Schriftenwechsel stattgefunden hat, und der Abweisung des Begehrens um die Zusprache einer Parteientschädigung für das Einspracheverfahren erscheint eine Parteientschädigung von Fr. 2000.- (inklusive Barauslagen und Mehrwertsteuer) als angemessen. Das Beschwerdeverfahren ist kostenlos (Art. 61 lit. a ATSG).
Demgemäss hat das Versicherungsgericht
im Zirkulationsverfahren gemäss Art. 53 GerG entschieden:
1. In teilweiser Gutheissung der Beschwerde wird der Einspracheentscheid vom
31. Januar 2007 aufgehoben und die Sache wird zur neuen Verfügung im Sinne der Erwägungen an die Beschwerdegegnerin zurückgewiesen; das Begehren um die Zusprache einer Parteientschädigung für das Einspracheverfahren wird abgewiesen.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
Die Beschwerdegegnerin bezahlt der Beschwerdeführerin eine
Parteientschädigung von Fr. 2000.-.
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